Am 15. Mai starb der Kommunikationsphilosoph Karl-Otto Apel, der seine Transzendentalpragmatik u.a. der Feuerprobe durch die Befreiungstheologie aussetzte
Stets lag ein Schatten über ihm. Der Schatten des großen Philosophen und Diskurstheoretikers Jürgen Habermas. Dabei pochte er zeitlebens darauf, deutlich vor
Habermas genau jene philosophischen Prinzipien ausformuliert zu haben, die schließlich mit Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" zu Weltruhm kommen sollten: Die Rede ist von Karl-Otto
Apel. Geboren 1922 in Düsseldorf, ist der Kommunikationsphilosoph nun am 15. Mai in seinem Haus im hessischen Niedernhausen gestorben. Apel wurde 95 Jahre alt.
Warum ein Nachruf auf einen Kommunikationsphilosoph, der zum Kern der nicht gerade für ihre kirchliche Nähe bekannten "Frankfurter Schule" zählte und der etwa den
Luzerner Theologen Edmund Arens mit dem Argument als Philosophie-Doktorand gewinnen wollte, Theologie sei doch keine Wissenschaft? Nun, aus dem einfachen Grund, dass Apel am Projekt einer
philosophischen Letztbegründung von Ethik durch Sprache und Diskurs arbeitete - ein Projekt, das auch theologisch durchaus von Interesse war und ist, insofern Apel dabei auf transzendentalem
Grund wandelte, etwa wenn er auf Grundmuster der Kommunikation verwies.
Karl-Otto Apel war der Ansicht, den transzendentalen Stein der Weisen gefunden zu haben: das "Apriori der Kommunikationsgemeinschaft"
Um es konkret zu machen und diesen Konnex zu verdeutlichen: Apel - wie auch Habermas in seiner Adaptierung des Apelschen Denkens - ging davon aus,
dass die wechselseitige Anerkennung aller als Gleichberechtigte sowie das damit einhergehende unbedingte Ernstnehmen des Gegenübers Grundvoraussetzungen des Diskurses sind, die keiner weiteren
Begründung bedürfen, da jeder Begründungsversuch selbst bereits ein Kommunikationsakt wäre und somit auf eben diesen Grundvoraussetzungen aufbauen würde. Er war sozusagen der Ansicht, den
transzendentalen Stein der Weisen gefunden zu haben - das "Apriori der Kommunikationsgemeinschaft", wie er sagte.
Ein Apriori, um das auch die Theologie ringt - wenn auch mit einem anderen Fokus, sucht die Theologie doch stets nach philosophischen
Koalitionspartnern, wenn es darum geht, die menschliche Vergemeinschaftung und somit ein Leben, das in der Lage ist zwischen gut und böse, richtig und falsch zu unterscheiden, zu begründen, ja,
dieses als normativ darzustellen. In diese Richtung suchte die Fundamentaltheologie etwa in Gestalt des Schweizer Theologen Edmund Arens oder des Hamburger Erziehungswissenschaftlers und
Theologen Helmut Peukert immer wieder die Auseinandersetzung mit Habermas - und damit auch mit Apel. Das bessere Argument sollte obsiegen - aber stets im Dienst einer höheren Sache, nämlich des
Ringens um Moral, Werte, das Gemeinwohl.
Seine Wertschätzung und Dankbarkeit für das Werk Apels unterstrich der an der Universität
Luzern lehrende Edmund Arens entsprechend in einem Nachruf auf dem theologischen Feuilleton-Portal feinschwarz.net. Er habe bei Apel nicht nur studiert, sondern zugleich "von diesem
unglaublich lebendigen, von Ideen sprudelnden Frankfurter Philosophen philosophisch denken gelernt". Persönlich habe Apel "etwas Monomanisches" an sich gehabt, so Arens, der bei Apel einige Jahre
das Doktorandenkolloquium besucht hatte: "Er redete ohne Punkt und Komma endlos wie ein Wasserfall und ließ andere kaum zu Wort kommen. Er verwickelte sich damit in eben jenen 'performativen
Selbstwiderspruch', dessen Aufdeckung er unermüdlich als Clou der Transzendentalpragmatik herausstellte."
Eine einzigartige Kombination von philosophischem Scharfsinn, rheinischer Fröhlichkeit, unbändiger Lebenskraft und transzendentalpragmatischer Penetranz
Besonders erinnerte sich Arens an Tagungen gemeinsam mit Apel und lateinamerikanischen Befreiungstheologen in den 1990er Jahren. "Bei Treffen unter anderem in
Mexiko City und im brasilianischen Sao Leopoldo hat Apel seine Transzendentalpragmatik der Feuerprobe durch die auf ihre brutal-realen Kommunikationsverhältnisse reflektierenden
Befreiungsphilosophen um Enrique Dussel ausgesetzt." Persönlich habe er an Apel die "einzigartige Kombination von philosophischem Scharfsinn, rheinischer Fröhlichkeit, unbändiger Lebenskraft und
transzendentalpragmatischer Penetranz (...) nicht einfach verehrt, sondern vielmehr geliebt", räumt Arens ein.
Ähnlich hoch auch die Wertschätzung, die der deutsche Philosoph Detlef Horster für Apel in der
"Süddeutschen Zeitung" zum Ausdruck bringt, wenn er Apel in einem Atemzug mit Habermas als "prägende Figur der deutschen Nachkriegsphilosophie" bezeichnet. Der Apelsche Ansatz bei der Sprache
und ihren Verstehensbedingungen als Ursprung und Apriori allen philosophischen Ringens sei dabei nicht nur hermeneutische Spielerei, nicht nur ein Agieren im geschichtsfreien Raum, so Horster -
im Gegenteil: So müsse man Apel gerade vor dem Hintergrund der deutschen Nachkriegsphilosophie verstehen - und damit vor dem Hintergrund einer Philosophie, die zutiefst verunsichert war. Welches
Denken war nicht von der NS-Ideologie zerrüttet und verdorben? Welches hatte sich nicht - Stichwort Heidegger - vielleicht gar in den Dienst Hitlers nehmen lassen?
Horster: "Nach der Zeit des Nationalsozialismus sei, so Apel, das moralische Bewusstsein zerstört gewesen, und man habe in dem 'dumpfen Gefühl' gelebt, dass alles
falsch gewesen sei, für das man sich bis dahin eingesetzt habe. Darum sei es für seine und, wie er meinte, auch für spätere Generationen wichtig gewesen, eine sichere moralische Basis zu finden."
- Eine Basis, die er in der unhintergehbaren Basis gelingender menschlicher Sprechakte und der darauf aufbauenden Diskurse (und Diskursethiken) zu finden glaubte.
Karl-Otto Apel wurde am 15. März 1922 in Düsseldorf geboren und promovierte 1950 in Bonn mit einer Arbeit über Martin Heidegger. Er hatte Professuren in Kiel und
Saarbrücken, bis er Anfang der 1970er Jahre an die Universität Frankfurt kam. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1990. Als Hauptwerk gilt seine 1973 erschienene Aufsatzsammlung
"Transformation der Philosophie". Sein letztes Buch "Transzendentale Reflexion und Geschichte" erschien erst Anfang dieses Jahres im Suhrkamp Verlag.
Philosophisch setzte sich Apel zunächst mit Martin Heidegger und Immanuel Kant auseinander. Schließlich entdeckte er als einer der ersten im deutschen Sprachraum
den US-amerikanischen Pragmatismus und machte diese philosophische Strömung in Deutschland bekannt. Im Fahrwasser von Autoren wie dieser Strömung wie John Dewey, William James und Charles Sanders
Peirce vollzog Apel konsequent eine sprachtheoretische Wende, den sogenannten "linguistic and pragmatic turn", für den auch Habermas steht.
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